Pressemeldung der Landeshauptstadt Hannover
- 27.10.2015
- Symposium zur Provenienzforschung:
„Politik, Recht und Moral. Von der schwierigen Frage und der aufwändigen Suche nach der Herkunft der Kunstwerke in den Museen“
Zu einer aktuellen Debatte über wichtige Fragestellungen zur Herkunft der Kunstbestände in öffentlichen Museen lädt die Landeshauptstadt für Mittwoch (4. November) von 18 bis zirka 20 Uhr in das Auditorium im Sprengel Museum Hannover ein. Das hochkarätig besetzte Symposium zur Provenienzforschung ist öffentlich, Interessierte sind willkommen, der Eintritt ist frei.
Die Referenten werden sich mit aktuellen Fragen von Moral, Recht und Perspektiven im Umgang mit möglicherweise durch die Museen unrechtmäßig getätigten Erwerbungen von Kunstwerken auseinandersetzen, die seit der Zeit des Nationalsozialismus gehandelt wurden und möglicherweise in museale Sammlungen gelangt sind.
Für die Moderation des Symposiums zur Provenienzforschung „Politik, Recht und Moral. Von der schwierigen Frage und der aufwändigen Suche nach der Herkunft der Kunstwerke in den Museen“ konnte der mit dem Thema der Provenienzforschung erfahrene Journalist und Publizist Stefan Koldehoff, Kulturredakteur Deutschlandfunk, gewonnen werden. Auf dem Podium diskutieren Professor Dr. Uwe Schneede, Vorstand Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, PD Dr. Christian Fuhrmeister, Forschungsabteilung, Zentralinstitut für Kunstgeschichte München sowie Leonhard Weidinger, Vorstand des Arbeitskreises Provenienzforschung e.V. und Provenienzforscher im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung beim Bundeskanzleramt, Österreich, sowie Marlis Drevermann, Stadträtin a.D., Landeshauptstadt Hannover.
In der Diskussion sollen Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:
Wie sehen die Aufgaben der Provenienzforschung heute in den Museen aus?
Welchen Aufgabenstellungen sieht sich die Provenienzforschung in öffentlichen und privaten Einrichtungen heute gegenüber?
Wieso dauern die Forschungsprozesse häufig so lange?
Wie können Museen die Inhalte und Ergebnisse ihrer Arbeit gegenüber der Öffentlichkeit vermitteln?
Weitere Themen können auch der Nutzen der online-Plattform LostArt sowie die Rolle des 2015 gegründeten Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste sein.
Zur Provenienzforschung:
Die Auseinandersetzung um die Folgen nationalistischer Verfolgung und Entrechtung jüdischer Bürger dauert bis heute an. Mit der Washingtoner Erklärung von 1998 haben sich 44 Teilnehmerstaaten verpflichtet, möglicherweise heute noch in Museen befindliches unrechtmäßig oder verfolgungsbedingt enteignetes Kulturgut aus jüdischem Besitz aufzufinden, zu entschädigen oder vergleichbare Lösungen für eine Entschädigung zu finden. In einer Gemeinsamen Erklärung hat Deutschland 1999 die Umsetzung bekräftigt.
Neben der Aufarbeitung von während der Zeit des Nationalsozialismus getätigten Erwerbungen stellen besonders auch die nach 1945 durch die Museen erfolgten Sammlungserwerbungen für die Provenienzforschung eine Herausforderung dar. Historische Handelswege liegen oftmals im Dunkeln, nachdem die seit 1933 einsetzenden nationalsozialistischen Gesetzgebungen starke Eingriffe auf die Kulturpolitik nahmen. Moderne Kunst wurde 1937 aus den deutschen Museen beschlagnahmt und im Ausland veräußert. Vermögenseinzugsgesetzgebungen wurden erlassen, mit Kriegsbeginn weitete sich der nationalistische Kunstraub auf die besetzten Gebiete weiter aus. Kriegsbedingt gelten Archivalien oder Geschäftsbücher von Galerien häufig als verloren, Wechsel von Eigentum oder Veräußerungen sind nicht immer dokumentiert. Die historisch komplexe Gemengelage stellt heute neue Anforderungen an ein intensiv vernetztes Forschen im internationalen Verbund und die Steuerung neuer Forschungsprojekte. Zur Förderung und Koordinierung der verschiedenen Aufgaben hat sich zu Beginn des Jahres 2015 durch Initiative der Bundesregierung und mit Unterstützung durch die Länder und Kommunen die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste gegründet.