Pressemeldung der Landeshauptstadt Hannover
- 22.05.2025
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Hannover wird bundesweite Modellstadt im Umgang mit synthetischen Opioiden
Teilnahme am Projekt „so-par“ – Erarbeitung von kommunalen Notfallplänen für die wachsende Bedrohung durch Fentanyl
Gemeinsam mit der Deutschen Aidshilfe (DAH) und dem Deutsch-Europäischen Forum für Urbane Sicherheit e.V. (DEFUS) nimmt die Landeshauptstadt Hannover, neben den Städten Essen und Berlin, ab sofort am Projekt „so-par“ (Synthetic Opioids Prepare and Response) teil. In diesem Rahmen sollen Lösungen zum Umgang mit der zunehmenden Verbreitung von synthetischen Opioiden entwickelt werden. Diese bedrohen Leben und Gesundheit von Menschen mit Substanzkonsum und stellen die Suchthilfe vor neue Herausforderungen. Die Paritätische Suchthilfe Niedersachsen gGmbH ist dabei Kooperationspartner der Stadt für die operative Umsetzung in Hannover.
„Hannover zeigt Verantwortung, denn die wachsende Verbreitung synthetischer Opioide erfordert Maßnahmen in unserer Stadt. Mit dem Modellprojekt können wir die Informationsarbeit zu den Gefahren ausweiten, Selbsttests für drogenkonsumierende Menschen anbieten und klare Abläufe für Notsituationen entwickeln. Die Möglichkeit, Substanzen vor dem Konsum auf ihre Zusammensetzung zu prüfen, ist ein wichtiger Beitrag zur Risikominimierung. So lassen sich schwerwiegende gesundheitliche Folgen oder tödliche Überdosierungen verhindern. Hannover geht hier als Modellstadt gern voran, für die Sicherheit der Menschen“, erläutert Oberbürgermeister Belit Onay die Beweggründe für die Teilnahme.
„Die Landeshauptstadt hat sich aktiv für das Projekt beworben, um gemeinsam mit sozialen Institutionen und Expert*innen frühestmöglich Lösungen für Hannover zu entwickeln. Dafür haben wir zunächst Selbsttests eigeninitiativ finanziert. Im Fokus steht jetzt, Pläne für das Zusammenspiel zwischen Rettungswesen, der Notfall-und Suchtmedizin, den Drogenhilfeeinrichtungen, der städtischen Straßensozialarbeit und den Konsumierenden zu entwickeln. Ich begrüße daher ausdrücklich die Kooperation mit DEFUS und der Deutschen Aidshilfe sowie der Paritätischen Suchthilfe Niedersachsen für die Umsetzung in Hannover bei diesem wichtigen Projekt“, sagte Sozialdezernentin Sylvia Bruns.
Synthetische Opioide und die Auswirkungen auf den Drogenmarkt
Fentanyl, Nitazene und ähnliche Substanzen finden immer mehr Verbreitung. Fentanyl ist ein synthetisches Opioid, das um ein Vielfaches stärker wirkt als Heroin. Oft wird es Heroin beigemischt, ohne dass Konsumierende darüber informiert sind. Diese gefährliche Praxis hat in den letzten Jahren zugenommen. Seitdem die Taliban 2022 in Afghanistan den Anbau von Schlafmohn verboten haben, ist die Opium- und damit die Heroin-Produktion stark zurückgegangen. Infolgedessen werden vermehrt synthetische Ersatzstoffe wie Fentanyl auf den Markt gebracht.
Gefahren durch synthetische Opioide und Studienergebnisse
Studien belegen einen besorgniserregenden Anstieg der Beimischung synthetischer Opioide wie Fentanyl zu Heroin in Deutschland, was zu einer Zunahme schwerer gesundheitlicher Notfälle führt. Im Rahmen des Bundesmodellprojekts RaFT wurden in 50 Heroinproben in Deutschland Fentanyl-Spuren nachgewiesen. Auch nach Abschluss dieser Studie kam es in mehreren deutschen Städten, zuletzt in Bremen, zu Fällen, in denen Heroin mit Fentanyl gestreckt war, was zu lebensgefährlichen Überdosierungen führte. In Europa sind Opioide für schätzungsweise 75 Prozent der erfassten Drogennotfälle verantwortlich.
Ergebnisse in Hannover
Vor diesem Hintergrund hat Hannover bereits im März 2025 mit Selbsttests begonnen. Im Besonderen soll die Situation vor Ort darüber besser eingeordnet werden können. Durchgeführt werden diese Selbsttests im Kontakt- und Konsumraum Stellwerk der Paritätischen Suchthilfe Niedersachsen, dienstags und freitags zwischen 11 und 17 Uhr. Dabei kommen Teststreifen zum Einsatz, bei denen nur ein minimaler Abstrich der Substanz erforderlich ist.
„Wir freuen uns, dass wir das Testangebot im Kontakt- und Konsumraum Stellwerk ausweiten können. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen die Wichtigkeit eines solchen Angebotes. Bisher konnten in rund zwanzig Prozent der durchgeführten Tests Fentanylbeimischungen nachgewiesen werden. Das Ergebnis des Tests kann dabei nicht nur im Einzelfall Leben retten, sondern liefert auch wichtige Erkenntnisse über die Verbreitung synthetischer Opioide“, erklärt Serdar Saris, Geschäftsführer der Paritätischen Suchthilfe Niedersachsen.
Kommunale Notfallpläne
Wie bei Pandemien sind klare Abläufe wichtig: Kernelemente des Projekts so-par sind daher Krisenkommunikationspläne für Städte und Gemeinden, Awareness-Kampagnen für Fachkräfte und Öffentlichkeit und schadensminimierende Maßnahmen, wie Aufklärung von Betroffenen, Untersuchung der Zusammensetzung von Drogen und Schulungen zum Einsatz des lebensrettenden Medikaments Naloxon. Darüber hinaus bietet so-par Informations- und Weiterbildungswebinare zu synthetischen Opioiden und den damit verbundenen Herausforderungen für das kommunale Handeln an.
Von Modellstädten lernen
„Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den drei Modellstädten praxistaugliche Lösungen zu entwickeln, die anderen Kommunen als Blaupause dienen können. Je mehr Städte unsere Erkenntnisse übernehmen, desto höher ist die Chance, im Ernstfall Menschenleben zu retten“, erläutert Anna Mühlen, Projektkoordinatorin bei DEFUS.
Zunahme der Drogentoten und die Notwendigkeit von Prävention in Deutschland
Im Jahr 2023 verstarben bundesweit 2.227 Menschen an den unmittelbaren Folgen des Substanzkonsums. Das stellt einen signifikanten Anstieg im Vergleich zu 1.990 Todesfällen im Jahr 2022 dar. Diese alarmierende Entwicklung unterstreicht die Dringlichkeit von präventiven Maßnahmen. Selbsttests, wie sie z.B. im Kontakt-und Konsumraum Stellwerk angeboten und durch die Stadt Hannover finanziert werden, können die Konsumierenden im besten Fall vor lebensgefährlichen Substanzen wie Fentanyl schützen.